Beiträge zur Geschichte
Der Grafschaft Glatz (Schlesien)
Eine faszinierende
Gebirgsbahn
Die schlesische
Gebirgsbahnstrecke
Glatz – Dittersbach
(Waldenburg)
B e r l in 2 0 0 9
(Bemerkung: Dieser Bericht wurde von
Bernhard Grolms von dem Sonderheft übernommen)
Zu den schönsten und
interessantesten Eisenbahnstrecken gehörte die schlesische Gebirgsbahn, deren
Schienenweg von Glatz über Neurode nach Dittersbach/Waldenburg führte. Den
Bahnreisenden boten sich prächtige Ausblicke auf eine ständig wechselnde
Landschaft mit ihren Bergen, Tälern, Wäldern und Ortschaften.
Immer wieder faszinierte es, wenn sich die
Dampflokomotive zischend und fauchend mit ihrer Wagenschlange hoch oben an Berghängen
entlang schlängelte, in schwindelerregender Höhe über Viadukte hinweg rollte
oder nach einem Warnpfiff in dunklen Tunnelschlünden verschwand. Bis es jedoch
dazu kam, war es ein langer Weg gewesen, gepflastert mit vielen Enttäuschungen....
Viele Pläne und herbe
Enttäuschungen
Am 9. Januar 1854 übergab der Kögl.
Hauptmann a.D. und Sachverständige im Eisenbahnwesen Krüger dem Oberpräsidenten
der Provinz Schlesien, Graf Zedlitz-Trutzschier, eine Denkschrift, in der als
Teil einer Zentralbahn von Berlin nach Wien die Strecke von Dittersbach über
Neurode nach Glatz skizziert wurde. Obwohl dieses Projekt von vielen Seiten
Zustimmung fand, ließ eine Realisierung auf sich warten. Als wesentlichster
Hinderungsgrund wurden die Kosten genannt, die eine Verwirklichung einer solch
schwierigen Gebirgsstrecke erfordern würden, was eine Ablehnung seitens der
Regierungsbehörden in Berlin zur Folge hatte.
In gleicher Weise blieben auch die
Bemühungen eines in Neurode gebildeten Zweigkomitees zur Vorbereitung einer
Eisenbahn von Waldenburg aus über Neu-rode, Glatz, Habelschwerdt nach
Wildenschwerdt (Böhmen) zum Anschluss nach Prag und Wien ohne Erfolg.
In der
Folgezeit wurden darum mehrmals andere Streckenführungen in Erwägung gezogen,
so z.B. von Schweidnitz her durch das Weistritztal über Neurode und weiter nach
Glatz. Ebenso wurde über einen Tunnelbau durch das Eulengebirge nachgedacht,
der sich jedoch wegen des hierfür errechneten Kostenaufwandes von zwei
Millionen Talern als illusorisch erwies, Im Jahre 1866 stand sogar ein Bahnbau
von Waldenburg aus über Friedland und Braunau in Böhmen nach Glatz zur Debatte,
der Neurode im Abseits ließ, wogegen die städt. Behörden in Neurode protestierten.
Noch 1872 verfiel eine Realisierung
der immer wieder geforderten Eisenbahn von Dittersbach über Neurode nach Glatz
wegen der „exorbitanten“ Geldmittel der Ablehnung. Derweil ging der Bau der
Strecke von Kamenz aus über Wartha, Glatz und weiter nach Habelschwerdt,
Mittelwalde vonstatten (Baubeginn 1869, Inbetriebnahme am 15. September 1875),
während die Gebirgsbahn über Neurode weiterhin ein Wunschtraum blieb.
Ein kühner Bau
Im Jahre
1875 wurde der Plan einer Bahnlinie Dittersbach - Neurode - Glatz wieder aufgenommen.
Diesmal mit Erfolg, so dass 1876 endlich mit dem Bau begonnen werden konnte.
Im Sommer begannen die ersten Tunnelarbeiten, im Herbst folgten die weiteren
Arbeiten. Ehe der erste planmäßige Zug rollte, mussten allerdings noch drei
bzw. vier Jahre vergehen. Der Bau dieser Linie war für die damalige Zeit ein
außergewöhnliches Ereignis, stellte er doch so hohe Anforderungen, dass man die
Strecke als die schwierigste Bahnlinie von ganz Deutschland bezeichnete. Beim
Bau waren große Hindernisse zu überwinden. So mussten 2.567 Kubikmeter an
Erdmassen bewegt, des weiteren für zwei größere Brücken über die Neiße und die
Steine sowie für acht hohe Viadukte 20.711 Kubikmeter an Mauerwerk, zum größten
Teil aus heimischem roten Sandstein, gefertigt werden. Der Viadukt über den
Schwarzbachgrund bei Neurode war in jener Zeit im Kgr. Preußen zunächst der
höchste. Außerdem waren innerhalb kurzer Distanz drei Tunnel durch Berge zu
bohren, darunter der 1.170,80 Meter lange Königswalder Tunnel und der 1.600
Meter lange Ochsenkopftunnel. Insgesamt
erforderte der Bau dieser Gebirgsbahnstrecke laut amtlichem
Bericht vom Januar 1883 den Betrag von
insgesamt 22.150.000 Mark, also eine für damalige Verhältnisse riesige Summe.
Die Inbetriebnahme erfolgte in zwei Etappen: am 15. Oktober 1879 zunächst zwischen
Glatz und Neurode sowie ein Jahr später am 15. Oktober 1880 weiter von Neurode
bis nach Dittersbach. Die gesamte Strecke einschließlich aller Bauten war von
Anfang an für einen zweigleisigen Betrieb vorgesehen, jedoch begann der Ausbau
hierfür erst 1907 und wurde kurz vor dem ersten Weltkrieg 1912 fertiggestellt.
Zu einem Novum gestaltete sich an der Strecke der
Bahnknotenpunkt Mittelsteine, an dem die Züge von drei verschiedenen Bahngesellschaften zusammentrafen. Zu der
Reichsbahnstrecke Dittersbach - Glatz kamen 1889 die von der österreichischen
k.u.k.-Bahn bediente Linie Mittelsteine - Braunau/Halbstadt sowie 1902/03 die
private Eulengebirgsbahn mit den Linien Langenbielau - Silberberg - Mittelsteine und
Mittelsteine – Wünschelburg / Heuscheuer hinzu.
In Mittelsteine befand sich
zudem auch das in den Jahren 1912-1914 errichtete Reichsbahnkraftwerk, das die
elektrisch betriebene Hauptstrecke von Breslau (Freiberger Bahnhof) nach
Görlitz sowie mehrere Nebenstrecken
mit der nötigen Energie versorgte. Eine ebenfalls vorgesehene Elektrifizierung
der unmittelbar anliegenden Gebirgsstrecke Dittersbach - Glatz verhinderte
allerdings der Ausbruch des zweiten Weltkrieges.
Rasch zunehmende Auslastung der Gebirgsbahn
Nach Inbetriebnahme im Jahre 1880
verkehrten auf der Strecke in beiden Richtungen täglich vier Personen- und
drei Güterzüge. Im Jahre 1908 waren es bereits 21 Personenzüge (darunter vier
Eilzüge) und zehn Güterzüge.
In den 30er Jahren (ca. 1935)
steigerte sich der tägliche Personenzugverkehr in beiden Richtungen auf 25
Züge, darunter zwei Eil- und vier Bäder-D-Züge (letztere zwischen
Berlin-Görlitz-Hirschberg-Dittersbach-Neurode-Glatz bzw. entgegengesetzt.
Störungen im Betriebsablauf
Da sich die imposante Gebirgsstrecke in ihrem Gesamtverlauf
durchweg bewährte, reduzierten sich die Beeinträchtigungen des durchgehenden
Verkehrs nur auf ein Minimum ohne ernsthafte Auswirkungen auf den Zugverkehr.
Zwei Jahre später, am 8. April 1888,
war es ein Felsrutsch im Einschnitt von Ludwigsdorf, der für kurze Zeit den
Durchgangsverkehr lahmlegte. Noch geringere Auswirkungen hatte wenige Jahre
später der Einsturz eines Wirtschaftsgebäudes am Königswalder Tunnel. Die
längste, mehr als eine Woche dauernde Unterbrechung wurde am 7. September 1910 von einem Hochwasser
ausgelöst, in dessen Folge sich am Südende des Ludwigsdorfer Bahnhofs der
Bahndamm auf 50 Meter Länge um 4,70 Meter absenkte.
Ein tragisches Unglück, allerdings
ohne Auswirkungen auf den Durchgangsverkehr, ereignete sich am 25. Januar
1945. Im Tunnel von Nieder-Königswalde hatte sich von einem in Richtung
Dittersbach fahrenden Zug, dessen 30 Waggons teilweise aus einem belegten
Lazarettzug und zum anderen aus Wagen mit Wehrmachtsmaterial bestanden, etwa
die Hälfte gelöst und war infolge des Streckengefälles mit hoher
Geschwindigkeit zurückgerollt. Da zur gleichen Zeit ein planmäßiger Personenzug
im Bahnhof Neurode abfahrbereit stand, wurden in großer Eile im Stell-
Unheil
am letzten Kriegstag
Einen schweren Schlag bekam die
Gebirgsbahn noch am letzten Kriegstag. In all den Kriegsjahren unbehelligt
geblieben, vollbrachte am 8. Mai 1945 ein Kommando der Wehrmacht ein sinnloses
Werk der Zerstörung, indem es den Leeden-Viadukt bei Kunzendorf sprengte und
darüber hinaus noch viele Schäden an den umliegenden Häusern anrichtete. Damit
war die Eisenbahnstrecke zwischen Neurode und der Haltestelle Centnerbrunn bei
Kunzendorf für den Verkehr total unterbrochen.
Die Leedenbrücke bei Centnerbrunn/Kunzendorf gehörte neben der
über den Schwarzbachgrund in Neurode führenden und denen bei Ludwigsdorf und
an der Hausdorfer Straße zu den vier großen Viadukt-Bauwerken mit ihren
wuchtigen, aus heimischem Sandstein gefertigten Pfeilern. Die Leedenbrücke in
den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts (oben) und nach ihrer Sprengung im Mai
1945 (unten).
Quellenhinweise
Titelbild: Bahnviadukt über den Schwarzbachgrund in
Neurode
Rücktitel: Die Bahntrasse bei Kohlendorf mit der
Leedenbrücke im Vordergrund
Abbildunge A.
Klutky (Titel, Rücktitel, S.6); Archiv (Ansichtskarten bzw. alte Schriften (S.
3, 7, 8, 10, 11, 13, 15)
Zeichnung: W.
Großpietsch
Schriften: Chronik der Stadt Neurode, v. Prof. Joseph
Wittig; Neurode 1937 (70. Kap.: Neurode im Eisenbahnverkehr) Kleine Chronologie
der Grafschafter Eisenbahnen, v. W. Großpietsch; Grofschoaftersch Häämtebärnla
1994
Grenzwacht; Glatz, Jahrgang 1940
Grafschafter Bote, Lüdenscheid, Jahrgang
1958
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Hinweis zu Seite 9 (Zitat
aus „Chronik der Stadt Neurode").
Im Zitat wurde die Anzahl der Viadukte korrigiert. Die Chronik
nannte irrtümlicherweise nur „drei". Im Neuroder Raum gab es jedoch vier:
über den Schwarzbachgrund in Neurode, die Leedenbrücke sowie bei Ludwigsdorf
und an der Hausdorfer Straße.
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Walter Großpietsch
Berlin 2009
Anmerkung
zur Sprengung der Leedenbrücke am 08.05.1945 von Bernhard Grolms:
Bei
einer Reise in die Heimat Anfang der 90er Jahre war die Besichtigung der Silberberger
Festung und Wanderung von der Festung über den „Hohen Stein“, Glasehütte nach
Köpprich angesagt. Auf dem Weg zum Hahnvorwerk begleitete mich A.L. aus der
Oberecke aus dem „Roten Haus“. A.L. stellte mir die Frage ob ich wüsste, wer
die Leedenbrücke gesprengt hat? Ich hatte keine Antwort darauf. Da sagte er mir
„wir Hitlerjungen (die großen) und J.B. aus der Siedlung. J.B. war in
Volpersdorf der Mann bei der NSDAP der das sagen hatte. Also; die Wehrmacht war
da unschuldig.